Der Familienname Westheider

 

1) Allgemeines zur Entstehung von Familiennamen

 

Zuerst gab es nur Rufnamen. Sie genügten den gegebenen Strukturen der Siedlungen, Dorfgemeinschaften und bäuerlichen Anwesen. Bis ins frühe Mittelalter diente der Rufname hauptsächlich der Verständigung innerhalb der Familie oder zur Erleichterung der Suche nach bestimmten Personen. Aber nachdem die großen Völkerwanderungen vorbei waren, nachdem die Stämme in Germanien den christlichen Glauben angenommen hatten und sich die Siedlungsstrukturen gefestigt hatten, bekam der Rufname eine weitere funktionale Bedeutung. In den Ländern, die nach dem Zerfall des Reichs Karl des Großen entstanden, hatte sich eine Besitzhierarchie gebildet. Den größten Teil der Bevölkerung bildeten die Bauern, sie waren zumeist einem Grundherrn „hörig“. Um eine Übersicht über die Besitzverhältnisse und über die Zugehörigkeit der Personen zu erhalten, begann man, die Bewohner gemeindlich zu registrieren. Da es keine große Auswahl an Rufnamen gab, ergaben sich hinsichtlich der Eindeutigkeit Probleme; man begann, dem Rufnahmen einen Beinamen zuzuordnen. Oft benutzte man als Beiname den Beruf (z.B. Müller, Schmied) eine Besonderheit oder Eigenschaft (z.B. Kleine, Krumme) oder eine Ortsbezeichnung (z.B. von der Heide).

Zuerst hatte jede Person einen eigenen Beinamen, dies war noch kein Familienname. Da die Eindeutigkeit der Zuordnung des Namens insbesondere bei längerfristigen Dokumentationen von Landbesitz und Abgaben eine große Rolle spielte, wurde bald aus einem Beinamen ein fester Nachname. Dieser Nachname wurde dann im Laufe der Zeit auch den Familienangehörigen und den Nachkommen zugeordnet. Diese Beinamen wurden später zumeist als Familiennamen übernommen. Es kam allerdings auch vor, das verschiedene Beinamen einer Familie wechselweise als Familienname benutzt wurden, so dass bei Registrierungen beide Namen als Familiennamen auftraten und dann beide Namen bei den Nachkommen fortgeführt wurden.

Des weiteren ist zu beachten, dass das „gemeine“ Volk weder schreiben noch lesen konnte, bei der Eintragung ins Kirchenregister hat der Schreiber ( meistens der Gemeindepfarrer) so geschrieben, wie er den Namen akustisch verstanden hat. Bei der Schreibweise spielte nicht nur die mundartliche Aussprache eine Rolle ( der Name Teufel z.B. wurde mundartlich zu Deubel, Düwel oder Deibel), sondern auch die persönliche Formulierung des Namens. Z.B. gaben Personen der Westheiderfamilie ihren Namen mit Westheidermann, Wöstheider an. Außerdem gab es besondere Schreibweisen allgemein in der damaligen Sprache, so auch bei den Namen (z.B. Meier, Meyer, Maier oder Schulze, Schultze).

Eine weitere Besonderheit ist die Änderung des Namens bei Heirat. Während bei Frauen lange Zeit die Regel war, dass sie den Familiennamen des Mannes annahmen, kam dies auch häufig bei Männern vor, die eine Erbin eines Bauernhofs heirateten, diese Männer mussten den Namen des Hofes, also den Familiennamen der Erbin annehmen - dies war eine Anordnung der Gutsherren. Die Kinder dieses Paares hatten dann teilweise den Familiennamen der Frau, aber auch zum anderen Teil den Geburtsnamen des Mannes. Dies belegen die Eintragungen in den Kirchenbüchern.
 

 

2) Entstehung des Familiennamens Westheider

 

Die erste Person, die auf dem später registriertem Grund der Westheider-Stätte Versmold 89 lebte, hatte den Rufnamen Johann und zur genaueren Beschreibung der Person den Zusatz „up de Westheide“.(siehe auch unter Familiengeschichte). Dies war eine Eintragung im Jahr 1554. Da im Jahr 1683 beim Brand der Versmolder Kirche sämtliche Kirchenbücher vernichtet wurden, kann man eine 100-jährige Lücke bis zur nächsten Registrierung nicht füllen.

Im Jahr 1669 wird in der Chronik der Versmolder Bauernhöfe, die im Gemeindeamt der ev. Kirche zu Versmold einzusehen ist, ein Jakob Witte als Besitzer der Westheider-Stätte eingetragen (siehe auch Chronik der Westheider-Stätte). Ich vermute, dass im Dreißigjährigen Krieg die männlichen oder sogar alle Bewohner der Stätte ums Leben gekommen sind und die Stätte dem o.g. zugesprochen worden ist. Zu dieser Zeit waren die Beinamen schon Familiennamen. Dies lässt sich eindeutig anhand der Eintragungen in den Kirchenregistern belegen. Nun gab es aber zur selben Zeit einen Bauernhof der Familie Witte (Versmold 70 ). Hier lebten Familienmitglieder mit denselben Vornamen wie auf der Westheider-Stätte. Es ist anzunehmen, dass zur Unterscheidung der Personen die Personen auf der Westheider-Stätte den Zusatz-Beinamen Westheider bekamen – so ist es auch in den nachfolgenden Kirchenbüchern eingetragen. Dies macht auch Sinn, denn die Westheider-Stätte ist der Ursprungshof dieser Familie. So hat der nächste Besitzer der Westheider-Stätte den Beinamen Westheyde-Witte. Die Kinder von Johann Henrich Westheyde-Witte und Anna Maria geb. Schlotte hatten den Familiennamen Westheider!

Nun gab es in den nächsten Jahren eine Reihe familiärer Veränderungen. Nach dem Tode von Johann Henrich erbte Anna Maria die Westheider-Stätte und heiratete Johann Henrich Boschulte vom Bauernhof Versmold 24.(Siehe auch unter Familiengeschichte). Johann Henrich wurde in den Kirchenbüchern mit dem zusätzlichen Beinamen Witte-Westheider( also Boschulze d. Witte-Westheider) geführt. Zu der Zeit mussten die Männer, die eine Erbein eines Bauernhofes heirateten, den Besitzernamen oder Hofnamen annehmen. Da der Besitzername Witte war und der Hofname Westheyde, wurde im Kirchenregister der oben genannte Namen eingetragen.Die Kinder hatten den Familiennamen Boschulte-Witte-Westheider, sie lebten aber nur wenige Jahre, nur die Tochter Anna Elsabein wurde als einzige erwachsen, sie gab bei ihrer Heirat nur den Familiennamen Westheider an. Nach dem Tode von Anna Maria war Johann Henrich Besitzer der Westheider-Stätte, Er heiratete danach zweimal und bekam mit beiden Ehefrauen Kinder, die den Familiennamen Bochulze-Westheider hatten.

Die schon einige Zeilen vorher erwähnte Tochter von Anna Maria Schlotte und Johann Henrich Boschulze, Anna Elsabein -also das älteste Kind - , hat die Westheider-Stätte geerbt. Sie heiratete Johann Philip Selchert, der den Hofnamen Westheider annehmen musste. Die Kinder der beiden hatten deshalb den Familiennamen Westheider. Hier sieht man, dass die Männer ihren Geburts-Familiennamen nicht mehr weiterführten und den Familiennamen der geheirateten Frau annahmen.

Da nach dem Tod von Anna Elsabein der eingeheiratete Selchert Besitzer der Westheider-Stätte wurde, er ein weiteres Mal heiratete, und diese Frau Erbin wurde und einen weiteren Mann heiratete,  ist die Namensgebung noch undurchsichtiger geworden. Allerdings ist in den Kirchenbüchern bei den Familienangehörigen neben den Geburtsnamen fast immer der Beiname Westheider eingetragen.

 

Fazit:

 

Die Name Westheider entstammt meines Erachtens der Lage des Bauernhofes Versmold 89. Die Stätte lag im Westen der Ortschaft Versmold. In dieser Region war die Ergiebigkeit des Bodens äußerst dürftig, hier wuchs auf dem Sandboden gerade Heide. So entstand wohl der Name Westheide und dann Westheider. Später wurde auch der Beiname Westheidermann in den Kirchenbüchern registriert. Auch der Familienname Witte setzt sich bei den entsprechenden Familienlinien fort.

 Der Familienname Westheider ist also nicht geeignet, eine direkte verwandtschaftliche Linie von den ersten bis zu den heutigen Familienangehörigen herzustellen. Ich habe versucht, zu jeder lebenden Person eine Verbindung zu den 1690 im Kirchenbuch der ev. Kirche von Versmold registrierten Personen der Westheider-Familie herzustellen. Hierzu verweise ich auf die Seiten „Stammbaum“ und „Blutsverwandtschaften“.